Haus für gerontopsychiatrische Gemeinschaften, Kyritzer Straße 63
Neubau einer gerontopsychiatrischen Einrichtung als Anbau an ein vorhandenes Seniorenwohnheim; besonderes Architekturkonzept um alten Menschen mit Demenz in allen Pflegestufen gerecht zu werden
Anzahl der Pflegeplätze: 20
Bauherr: Dr. Heinz Schumann, Seniorenbetreuungsdienste Riemeisterstraße
Das Projekt wurde im Rahmen des Bundesfinanz-Hilfeprogramms nach Art. 52 Pflegeversicherungsgesetz zu rd. 84 % aus Mitteln des Landes Berlin und der BRD gefördert.
Planung und Realisierung: in Kooperation mit Dr. Dipl.-Ing. Klaus Rasche
Planung: ab September 2001
Fertigstellung: Dezember 2004
Baukosten: 1.500.000 €
Projektbeschreibung
Der im Dezember 2004 eingeweihte Neubau einer gerontopsychiatrischen Fachabteilung auf dem Grundstück des bestehenden Seniorenwohnheims Haus Kyritz im Nord-Westen der Großsiedlung Hellersdorf schließt als Kopfbau an das bestehende Seniorenheim an. Von der Kyritzer Straße ist er als dreigeschossiger Riegel zu erleben, der den Straßenraum in Verlängerung des benachbarten Gymnasiumsneubaus fasst und gleichzeitig den südlichen Giebel des Bestandshauses aufwertet. Ein zweigeschossiger Gebäudeteil schließt sich seitlich an das vorhandene Gebäude an und ist auch als großzügige Dachterrasse mit Blick auf den Schulhof des Gymnasiums nutzbar.
Zum einen ist die Fachabteilung, auch entsprechend den öffentlichen Forderungen, eigenständig und funktional vom Bestandsgebäude abgegrenzt, zum anderen konnten durch schwellenlose An- und Einbindungen im Inneren sinnvolle Funktionsüberlagerungen für den Betrieb ermöglicht werden.
Gerontopsychiatrische Hausgemeinschaften sind offene Einrichtungen für alte Menschen mit Demenz in allen Pflegestufen. Ihre Bewohner sind oft körperlich aktiv, befinden sich jedoch in unterschiedlicher Ausprägung der Demenz, die durch z.T. massive Verhaltensauffälligkeiten charakterisiert ist. Die Mobilität der Bewohner ist in der Regel soweit erhalten, dass sie an Gruppenaktivitäten und dem Gemeinschaftsleben teilnehmen können. An Betreuung und Therapie von Demenzkranken sind besondere Anforderungen gestellt, die durch architektonische Lösungen unterstützt werden. Die begrenzten Reaktionsfähigkeiten der Bewohner erfordern ein klares Raumkonzept ohne räumlich diffuse Situationen.
Im Zentrum der Geschosse ist ein „öffentlicher Innenraum“ angeordnet, der zum einen Erschließungsfunktionen für die angelagerten Bewohnerzimmer und Funktionsräume und zum anderen Raum für Bewegung und Aktivitäten bietet. In den öffentlichen Räumen sind Orte für unterschiedliche Aktivitäten ausgebildet: Orte des Beobachtens (Bushaltestelle), der Muße (Plauderecke), der Arbeit (Therapieküche), des Spielens. Um einen Kern aus Treppenhaus und Schwesternzimmer ist in jedem Geschoss ein Rundgang mit unterschiedlich ausgeprägten Erlebnisbereichen ausgebildet. Die Flächen sind so strukturiert, dass sie den Pflegekräften ein Optimum an Übersicht gestatten, Farben und Formen sind unterstützend als Orientierungsmittel eingesetzt.
Demenzkranke leben in ihrer Vergangenheit, der Zugang zu ihrem heutigen Dasein erfolgt über Erinnerungen an ihr früheres Leben. Die Gestaltung der Räume soll solche Assoziationen ermöglichen und unterstützen. Dazu können insbesondere in den Privaträumen Objekte ihres vergangenen Lebens (z.B. Lampen) gehören. Dazu gehört aber auch das Angebot unterschiedlicher Möbelstile und differenzierter Wandgestaltung, aus denen z.B. die Angehörigen ein passendes Muster auswählen können, dass ein ausreichendes Maß an Wiedererkennungswert bieten. Da ausschließlich Einzelzimmern vorgesehen sind, wird der individuelle Bezug der Zimmer zur Geschichte der Personen erleichtert. In den Obergeschossen ist jedem Wohnraum ein Sanitärbereich zugeordnet, im Erdgeschoss teilen zwei Wohnräume je eine großzügige Sanitäreinheit, die ebenfalls mit Hilfe verschiedenfarbiger Fliesen und kleiner „Fliesenbilder“ individuell und erkennbar ausgebildet ist. Bewohnerzimmer und auch die öffentliche Innenfläche sind mit großzügigen Fenstern ausgestattet, die eine maximale Tageslichtbeleuchtung zulassen und auch bettlägerigen Bewohnern einen Ausblick ermöglichen.
Anregungen für die Sinne, Steigerung des Wohlbefindens
Ein wichtiger Bestandteil des Entwurfes ist das umgesetzte Lichtkonzept, das ein therapeutisch unterstützendes Tageslichtspektrum ermöglicht und durch Dimmen und Mischung unterschiedlicher Leuchtkörper im öffentlichen Innenraum den Lichtverlauf des Tages nachgestalten kann. Das Farbkonzept des inneren Gebäudes basiert auf vorwiegend warmen Tönen, die durch die verwendeten Naturmaterialien (Holz) unterstützt werden. Intensive Farben werden zur besonderen Orientierung und für bewegliche Elemente (Stühle) eingesetzt. Die Differenzierung der Farbigkeit in den Geschossen stärkt die Orientierung im Gebäude. Gegen diese warme Farbigkeit steht die Transparenz des Aufzuges und der Schwesternbereiche, die Angstgefühle bei der Aufzugsbenutzung verhindert und komfortable Übersicht für die Schwestern ermöglicht.
Tasten ist eine entscheidende Sinneswahrnehmung, die die Phantasie der dementen Bewohner anregen kann. In Zusammenarbeit mit Schulklassen entstanden Tastobjekte unterschiedlicher Materialität, die in Verbindung mit den in die Gebäudegestaltung integrierten alten Fassadenoberflächen zu Orten des Fühlens gemacht werden.